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Drücken sich die Finanzämter um verbindliche Auskünfte zur Erbschaft- und Schenkungsteuer?

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RA Dr. Maximilian Haag, LL.M. (Duke), Associate bei P+P Pöllath + Partners, München

 

Die Komplexität des Erbschaftsteuerrechts hat in den letzten Jahren drastisch zugenommen. Vor allem die 2009 neu gefassten Begünstigungen für Betriebsvermögen werfen eine Unzahl an ungelösten rechtlichen Fragestellungen auf. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass viele Unternehmer und sonstige Vermögensträger bereits zu Lebzeiten Klarheit darüber schaffen möchten, wie ihr Vermögen im Erbfall steuerlich behandelt wird und ob es sinnvoll sein könnte, das Vermögen bereits zu Lebzeiten auf einen Nachfolger zu übertragen. 

Ein geeignetes Mittel zur Erlangung steuerlicher Rechtssicherheit ist die Beantragung einer verbindlichen Auskunft beim zuständigen Finanzamt. Darin sichert das Finanzamt dem Antragsteller zu, dass der von ihm geplante Sachverhalt nach der geltenden Rechtslage in einer ganz bestimmten Weise behandelt wird, z. B. dass er erbschaftsteuerfrei oder nur zu 15% steuerpflichtig ist. In der Praxis ist allerdings festzustellen, dass die Finanzämter bei erbschaftsteuerlichen Sachverhalten nicht selten die Erteilung der erbetenen verbindlichen Auskunft ablehnen. 

So mag das Finanzamt sich für Fragen zur Begünstigung von Betriebsvermögen (§ 13a ErbStG) oder vermieteten Wohnimmobilien (§ 13c ErbStG) als sachlich unzuständig ansehen und den Betroffenen an das Betriebs- oder Lagefinanzamt verweisen. Für Betriebsvermögen hat der Gesetzgeber 2011 eine Vorschrift geschaffen, nach der das Betriebsfinanzamt Lohnsummen und Beschäftigtenzahl des übertragenen Betriebs gesondert feststellen kann (§ 13a Abs. 1a ErbStG). Damit ist tatsächlich ein Anhaltspunkt dafür gegeben, dass die Betriebsfinanzämter für Auskünfte im Zusammenhang mit der Berechnung der Lohnsumme zuständig sein könnten. Zu beachten ist aber, dass die Feststellung der Begünstigung weiterhin allein dem Erbschaftsteuer-Finanzamt obliegt (§ 31 ErbStG) und damit ein Verweis auf das Betriebsfinanzamt allenfalls bei Einzelfragen zur Lohnsumme zulässig sein dürfte. Bei vermieteten Wohnimmobilien scheidet ein Verweis an das Lagefinanzamt ganz aus. Denn dieses ist nur für die Feststellung des Grundbesitzwertes zuständig und dies auch nur auf Anfrage des Erbschaftsteuer-Finanzamtes hin (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG). 

Ein ähnliches Problem stellt sich, wenn der Antragsteller sich auf eine erbschaftsteuerliche Vorschrift beruft, die ihrerseits auf Bestimmungen des Einkommensteuerrechts verweist, wie z. B. bei der Begünstigung für Anteile an Personenhandelsgesellschaften. Das Erbschaftsteuer-Finanzamt wird die verbindliche Auskunft in diesen Fällen möglicherweise nur unter dem pauschalen Vorbehalt erteilen, dass die einkommensteuerlichen Voraussetzungen der jeweiligen erbschaftsteuerlichen Regelung gewahrt bleiben. De facto verweist das Erbschaftsteuer-Finanzamt den Rechtsuchenden damit an das für die Ertragsteuer zuständige Finanzamt. Auch in diesen Fällen ist zweifelhaft, ob das Erbschaftsteuer-Finanzamt sich der Verantwortung für die verbindliche Auskunft einfach so entziehen kann. Denn bei der späteren Veranlagung zur Erbschaftsteuer muss das Erbschaftsteuer-Finanzamt ertragsteuerliche Vorfragen der Begünstigung selbstständig mitentscheiden und darf nur die Wertfeststellung dem Betriebsfinanzamt auftragen (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 BewG). Aus diesem Grund ist die Beantragung einer gesonderten verbindlichen Auskunft bei dem für die Ertragsteuer zuständigen Finanzamt zur Absicherung ertragsteuerlicher Vorfragen der erbschaftsteuerlichen Behandlung auch nicht zielführend, da diese Auskunft im Rahmen der späteren Veranlagung durch das Erbschaftsteuer-Finanzamt keine rechtliche Bindungswirkung entfaltet. Denn insoweit ist das Ertragsteuer-Finanzamt sachlich unzuständig. 

Probleme bereitet den Finanzämtern schließlich die Erteilung von verbindlichen Auskünften auf einen Vermögensübergang von Todes wegen, wenn der Erblasser bei der Antragstellung noch lebt. Es wird argumentiert, der Erblasser könne einen solchen Antrag gar nicht stellen, da Steuerpflichtiger der Erbschaftsteuer allein der Erbe ist. Der designierte Erbe könne den Antrag aber ebenfalls nicht stellen, da vor dem Todesfall nicht sicher sei, ob er tatsächlich Erbe wird. Außerdem handele es sich beim Tod einer Person nicht um einen hinreichend „genau bestimmten“ Sachverhalt. 

Nach dem Gesetzeswortlaut genügt für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ein „besonderes Interesse“ an der Auskunft (§ 89 Abs. 2 Satz 1 AO). Angesichts der Tatsache, dass der Erblasser zu seinen Lebzeiten Einfluss auf Umfang und Struktur seines Vermögens hat und somit vorrangig er selbst auf ungünstige erbschaftsteuerliche Regelungen reagieren kann, erscheint es nur logisch, ihm selbst auch ein Antragsrecht für verbindliche Auskünfte zuzugestehen. Hinsichtlich der Erbenstellung des designierten Erben kann nichts anderes gelten (sofern er zumindest nachweisen kann, dass er der designierte Erbe ist). Denn allein die Tatsache, dass der Erbe vor dem Erblasser versterben oder der Erblasser den designierten Nachfolger enterben könnte, ändert nichts an dem berechtigten Auskunftsinteresse im Zeitpunkt der Antragstellung. 

Soweit das Finanzamt darauf abstellt, dass der Tod kein genau bestimmter Sachverhalt im Sinne des Gesetzes ist, ist zu differenzieren: Das Instrument der verbindlichen Auskunft wurde geschaffen, um ungewisse steuerliche Folgen für geplante Vermögensdispositionen vorab klären zu können. Soweit ein Vermögensträger lediglich eine Auskunft über die steuerliche Behandlung seines Vermögens im Falle seines Todes begehrt, ist der Antrag damit tatsächlich unzulässig, da das bloße Versterben keine bewusste und zielgerichtete Vermögensdisposition ist. Anders ist die Rechtslage hingegen, wenn der Erblasser in einer konkreten Entscheidungssituation über eine lebzeitige Vermögensdisposition darlegen kann, dass unterschiedliche erbschaftsteuerlichen Folgen maßgeblichen Einfluss auf seine Entscheidung haben (vgl. BVerfG-Beschluss vom 30.10.2010 – 1 BvR 3196/09, vgl. DB0395336, zur Betroffenheit eines künftigen Erblassers durch das heutige Erbschaftsteuerrecht). 

Fazit: Bei der Vorbereitung der Unternehmens- oder Vermögensnachfolge sollte sorgfältig geprüft werden, ob ein Bedürfnis zur erbschaftsteuerlichen Absicherung des geplanten Sachverhalts durch eine verbindliche Auskunft besteht oder nicht. Ist ein solches Bedürfnis vorhanden, sollten sich die Beteiligten nicht durch die bisherigen Praxiserfahrungen mit den Finanzämtern entmutigen lassen. Denn durch gründliche Vorbereitung und frühzeitige Abstimmung des Antrags auf verbindliche Auskunft mit dem Finanzamt lassen sich nach wie vor viele Zweifelsfragen frühzeitig ausräumen.


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